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==== Internet und Computer - ''Die neue Wissenschaft der Vernetzung'' ====
 
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[[File:disciplinary.png|thumb|600px|right|'''Unterschiedliche Formen disziplinärer Zusammenarbeit'''. Quelle: [http://makinggood.design/thoughts/tasty/ Jo Bailey makinggood.design]]]  
 
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Aus der allgemeinen Erkenntnis heraus, dass aufgrund der Mängel des gegenwärtigen Systems neue Paradigmen entwickelt oder identifiziert werden müssen, und ebenso aus der Erkenntnis der Bedeutung neuer Wissensformen entstand ein neuer Wissenschaftsmodus, der eine kritische Reflexion und eine Integration von Wissenschaft und Gesellschaft erfordert. Mit zunehmender Anerkennung der Komplexität der Probleme, mit denen die Menschheit konfrontiert ist, wurde klar, dass eine einzige Disziplin nicht in der Lage sein würde, die notwendigen Lösungen anzunähern. '''Stattdessen würden die Disziplinen zusammenarbeiten müssen, was keine Kleinigkeit ist.''' Gegensätzliche Denkrichtungen, unterschiedliche Schwerpunkte, eine unvereinbare Sprache und schließlich ein Wettbewerb um begrenzte Ressourcen und Aufmerksamkeit sowie Denkschulen, die in ihrer Bedeutung Überlegenheit beanspruchen - all dies sind keine Bausteine wissenschaftlicher Zusammenarbeit. Doch all diese Probleme sind vernachlässigbar im Vergleich zu der Herausforderung, eine gemeinsame Wissensproduktion zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zu schaffen. Die Wissenschaft hielt eine teilweise arrogante Distanz zur Gesellschaft, oder zumindest ein Großteil der Wissenschaft vermied eine direkte Interaktion. Interviews, Beobachtungen, vielleicht noch Interaktion, waren bereits bekannte Ansätze. Die gemeinsame Problemdefinition und das gegenseitige Lernen von Wissenschaft und Gesellschaft stellten einen radikal neuen Forschungsmodus dar, und wir stehen erst am Anfang eines Paradigmenwechsels, der die Wissenschaft seit Jahrhunderten geprägt hat. So entstand die trandisziplinäre Forschung als ein neuer Forschungsmodus und ein inklusiver, reflexiver und lösungsorientierter Weg, der die Gräben in der Wissenschaft, aber auch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft überwindet.  
 
Aus der allgemeinen Erkenntnis heraus, dass aufgrund der Mängel des gegenwärtigen Systems neue Paradigmen entwickelt oder identifiziert werden müssen, und ebenso aus der Erkenntnis der Bedeutung neuer Wissensformen entstand ein neuer Wissenschaftsmodus, der eine kritische Reflexion und eine Integration von Wissenschaft und Gesellschaft erfordert. Mit zunehmender Anerkennung der Komplexität der Probleme, mit denen die Menschheit konfrontiert ist, wurde klar, dass eine einzige Disziplin nicht in der Lage sein würde, die notwendigen Lösungen anzunähern. '''Stattdessen würden die Disziplinen zusammenarbeiten müssen, was keine Kleinigkeit ist.''' Gegensätzliche Denkrichtungen, unterschiedliche Schwerpunkte, eine unvereinbare Sprache und schließlich ein Wettbewerb um begrenzte Ressourcen und Aufmerksamkeit sowie Denkschulen, die in ihrer Bedeutung Überlegenheit beanspruchen - all dies sind keine Bausteine wissenschaftlicher Zusammenarbeit. Doch all diese Probleme sind vernachlässigbar im Vergleich zu der Herausforderung, eine gemeinsame Wissensproduktion zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zu schaffen. Die Wissenschaft hielt eine teilweise arrogante Distanz zur Gesellschaft, oder zumindest ein Großteil der Wissenschaft vermied eine direkte Interaktion. Interviews, Beobachtungen, vielleicht noch Interaktion, waren bereits bekannte Ansätze. Die gemeinsame Problemdefinition und das gegenseitige Lernen von Wissenschaft und Gesellschaft stellten einen radikal neuen Forschungsmodus dar, und wir stehen erst am Anfang eines Paradigmenwechsels, der die Wissenschaft seit Jahrhunderten geprägt hat. So entstand die trandisziplinäre Forschung als ein neuer Forschungsmodus und ein inklusiver, reflexiver und lösungsorientierter Weg, der die Gräben in der Wissenschaft, aber auch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft überwindet.  
  
Diese radikale Entwicklung fällt mit einer weiteren Revolution zusammen, die die Wissenschaft erschüttert hat, nämlich dem digitalen Zeitalter. '''Computer ermöglichten schnellere Berechnungen und neuartige methodische Ansätze.''' Das Internet trieb neue Wissensquellen und -formen an, und die damit verbundenen neuen Kommunikationsformen lösten einen Austausch zwischen Forscher*innen in einem beispiellosen Tempo aus. Alle Mittel der elektronischen Kommunikation, Online-Zeitschriften und die Tatsache, dass viele Forscher*innen heute über einen eigenen Computer verfügen, führten zu einer exponentiellen Zunahme der wissenschaftlichen Zusammenarbeit. Während dies manchmal auch Opportunismus und eine Verschiebung hin zu Quantität statt Qualität in der Forschung mit sich bringt, ist es unbestreitbar, dass heute viele wissenschaftliche Informationen nicht weiter von uns entfernt sind als ein Mausklick. Technologie kann kein Selbstzweck sein, aber als Mittel zum Zweck ermöglicht sie heute ein exponentielles Forschungstempo, das sich am deutlichsten in der Corona-Krise manifestiert hat. Die globale Gemeinschaft der Forscher*innen ist in ihrer größten Stärke vereint, und die Geschwindigkeit und Vielfalt der Wissensschöpfung ist in der Geschichte unserer Zivilisation beispiellos. Nie zuvor gab es mehr Interaktion zwischen den neuesten wissenschaftlichen Untersuchungen oder Ergebnissen und der Gesellschaft.
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Diese radikale Entwicklung fällt mit einer weiteren Revolution zusammen, die die Wissenschaft erschüttert hat, nämlich dem digitalen Zeitalter. '''Computer ermöglichten schnellere Berechnungen und neuartige methodische Ansätze.''' Das Internet trieb neue Wissensquellen und -formen an, und die damit verbundenen neuen Kommunikationsformen lösten einen Austausch zwischen Forscher*innen in einem beispiellosen Tempo aus. Alle Mittel der elektronischen Kommunikation, Online-Zeitschriften ([[Glossary|Journals]]) und die Tatsache, dass viele Forscher*innen heute über einen eigenen Computer verfügen, führten zu einer exponentiellen Zunahme der wissenschaftlichen Zusammenarbeit. Während dies manchmal auch Opportunismus und eine Verschiebung hin zu Quantität statt Qualität in der Forschung mit sich bringt, ist es unbestreitbar, dass heute viele wissenschaftliche Informationen nicht weiter von uns entfernt sind als ein Mausklick. Technologie kann kein Selbstzweck sein, aber als Mittel zum Zweck ermöglicht sie heute ein exponentielles Forschungstempo, das sich am deutlichsten in der Corona-Krise manifestiert hat. Die globale Gemeinschaft der Forscher*innen ist in ihrer größten Stärke vereint, und die Geschwindigkeit und Vielfalt der Wissensschöpfung ist in der Geschichte unserer Zivilisation beispiellos. Nie zuvor gab es mehr Interaktion zwischen den neuesten wissenschaftlichen Untersuchungen oder Ergebnissen und der Gesellschaft.
  
 
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Revision as of 11:45, 9 October 2023

Note: This is the German version of this entry. The original, English version can be found here: History of Methods. This entry was translated using DeepL and only adapted slightly. Any etymological discussions should be based on the English text.

Kurz und knapp: Dieser Eintrag bietet einen Überblick über die Geschichte der wissenschaftlichen Methodik im Wandel der Zeitalter. Woher kam die Wissenschaft und welche Einflüsse und Veränderungen gab es bis heute?


Antike - Beobachten und Verstehen

Mit dem Aufkommen der Sprache und viel später mit der Erfindung der Schrift wurden wir Zeug*innen des Anbeginns der menschlichen Zivilisation. Die schriftliche Vermittlung von Erfahrungen und Wissen gilt als einer der wichtigsten Schritte hin zur Bildung von Gesellschaften. Als wir von Jäger*innen und Sammler*innen zu größeren und komplexeren Kulturen übergingen, die in Städten lebten, erlaubte ein Überschuss in der Nahrungsmittelproduktion einigen privilegierten Menschen, sich mit anderen Zielen als der bloßen Sicherung ihres täglichen Überlebens zu beschäftigen. Dies führte zum Aufblühen früher Kulturen auf der ganzen Welt, viele davon mit enormen Entwicklungen in Landwirtschaft, Technik und Architektur. Der Aufstieg der städtischen Kulturen in Ost und West führte zu einer neuen Forschungsrichtung und letztlich auch zu einer neuen Denkweise, vor allem in Zivilisationen wie den Veden, der Zhou-Periode, der frühen persischen Kultur und - im Westen oft am meisten anerkannt - im antiken Griechenland.

Aristoteles (384 - 322 v. Chr.). Quelle: Wikipedia

Griechenland steht oft im Mittelpunkt, weil wir es als Geburtsort der modernen Demokratie betrachten, obwohl dort tatsächlich nur eine kleine privilegierte Elite tatsächlich als Bürger*innen betrachtet wurde. Obwohl diese Privilegierten nur wenige waren, verdanken wir Aristotle, Socrates und Plato und vielen anderen die Gründung der westlichen Philosophie. Empirische Forschung belastete das Denken noch nicht, daher war ein Großteil des Denkens der griechischen Philosophie erhaben, aber frei von der Last der Untersuchung der realen Welt. Es gab Verbindungen zwischen philosophischem Denken und der realen Welt - Sie erinnern sich vielleicht an Pythagoras aus der Schulzeit - doch viel später würden Philosophie und der Rest der Wissenschaft in hohem Maße voneinander getrennt sein. Frühe Berichte wie die Schriften des Herodot geben Zeugnis von der Geschichte dieses Zeitalters und stellen einen der frühesten Berichte über eine systematische Beschreibung von Geographie und Kultur dar. Die frühe Mathematik ebnete den Weg für grundlegendere Ansätze, und Umfragen waren damals ein üblicher Teil der Staatsführung. Daher wurden bereits viele Ansätze, die wir als wissenschaftliche Methoden betrachten würden, genutzt, jedoch weniger für wissenschaftliche Untersuchungen als vielmehr für einen direkten Nutzen, der nicht unbedingt mit der wissenschaftlichen Wissensproduktion verbunden war.

Östliche Kulturen hatten oft eine vergleichsweise frühe Entwicklung von Philosophien, wobei das Werk des Confuzius sowie die Veden und der Pali-Kanon von einem kontinuierlichen kulturellen Einfluss zeugen, der mit der griechischen Philosophie im Westen vergleichbar ist und diese sogar verbindet (die Fragen des Königs Milinda). Ebenso nutzten viele östliche Reiche nicht nur Methoden wie Volkszählung und Vermessung als Mittel zur Regierungsführung sondern auch viele andere bemerkenswerte Ansätze, die später zur Herausbildung wissenschaftlicher Methoden beitragen sollten. Das Recht war ein frühes Zeugnis für die Notwendigkeit von Regeln und Normen in menschlichen Gesellschaften. Folglich kann Rechtsforschung als eine der frühesten Formen der Untersuchung angesehen werden, die systematische Untersuchungen und Analysen direkt in die reale Welt übertrug.

Zwischen der Antike und dem Mittelalter klafft eine etwas verschwommene Lücke, wobei der Fall des Römischen Reiches im Westen, die Expansion des Mongolischen Reiches im Osten und die Besetzung eines großen Teils Indiens durch islamische Reiche als bemerkenswerte Elemente des Wandels gelten. All dies löste nicht nur einen enormen kulturellen Wandel aus, sondern, was noch wichtiger ist, einen zunehmenden Austausch, der zu Gedankenschulen führte, die durch das Schreiben und oft auch im Denken immer enger miteinander verbunden wurden. Die Logik ist ein Beispiel für einen Zweig der Philosophie, der die Alten (Platon, Konfuzius, Buddha) mit der Philosophie der Aufklärung verband. Dies war im Mittelalter eine wichtige Voraussetzung für eine systematische Denkweise, die u.a. pragmatische, analytische und skeptische Ansätze auslöste oder weiterentwickelte. Die Logik als Teil der Philosophie bildete die Grundlage für eine klare Begriffsbildung und Rhetorik in der Forschung, die später im Hinblick auf die Rationalität noch an Bedeutung gewinnen sollte. Das frühe Bedürfnis nach einer klaren Formulierung war also tief in der Philosophie verwurzelt, was die Bedeutung dieses Bereichs bis heute verdeutlicht.

Viele konkrete Schritte brachten uns der konkreten Anwendung wissenschaftlicher Methoden näher, darunter - insbesondere - der Ansatz des kontrollierten Testens durch den arabischen Mathematiker und Astronomen Alhazen (a.k.a. Ibn al-Haytham). Aus der Mathematik der Antike hervorgegangen und diese mit der allgemein aufkommenden Erforschung der Physik verbindend, war Alhazen der erste, der Versuchsbedingungen in einem systematischen Sinne manipulierte und damit den Weg zu der wissenschaftlichen Methode ebnete, die Jahrhunderte später aufkommen sollte. Alhazen ist auch deshalb relevant, weil er als Universalgelehrter betrachtet werden kann, was den Aufstieg von mehr Wissen, das solche Charaktere ermöglichte, unterstreicht. Dies ist aber immer noch sehr weit von der wahren Bildung des vielfältigen Kanons der Designkriterien für Methoden wissenschaftlichen Disziplinen entfernt, die ihn wahrscheinlich als Experten auf dem einen oder anderen Gebiet begrüßt hätten. Natürlich steht Alhazen hier nur als einer von vielen, die den Aufstieg der Wissenschaft über 'die islamische Welt im Mittelalter, die als Wiege der westlichen Wissenschaft angesehen werden kann, und auch als eine Kontinuität von den Eskapaden, als in Europa viel vom unmittelbaren griechischen und römischen Erbe verloren ging.

Vor der Aufklärung - Messen und Lösen

Die Mercator-Weltkarte. Quelle: Wikipedia

Ein weiterer Durchbruch, der auch in der Geometrie wurzelte, war die Erstellung von frühen Handelskarten. Während viele europäische Karten zwar detailliert, aber sicher nicht maßstabsgetreu waren (Ebstorfer Weltkarte), ermöglichten frühe Karten dennoch einen überregionalen Handel. Der wirkliche Durchbruch war die Mercator-Karte, die - beschränkt auf das damalige Wissen - die erste Karte war, die eine klare Navigation über die Ozeane ermöglichte und damit Kolonialismus und westliche (Gewalt-)Herrschaft ermöglichte. Dies ist insofern von hoher methodischer Relevanz, als das man argumentieren kann, dass der Überschuss aus den Kolonien und von Europa fernen Ländern eine der Haupttriebkräfte für das Gedeihen der europäischen Kolonialherren, ihrer Wirtschaft und damit auch ihrer Wissenschaft war. Es kann eine direkte Verbindung zwischen den Ungleichheiten, die durch den Kolonialismus verstärkt wurde, und dem Gedeihen der westlichen Wissenschaft, einschließlich der Entwicklung wissenschaftlicher Methoden, hergestellt werden.

Die Erfindung des Buchdrucks. Quelle: [history.com]

Mit einer steigenden Zahl von Texten, die durch die Erfindung des Buchdrucks verfügbar wurden, war die seit langem bekannte Methode der Hermeneutik, die eine tiefe und systematische Analyse der Schrift ermöglichte, eine der ersten Methoden, die sich entwickelte. Es kann eine Verbindung zu Übersetzungen und Interpretationen der Bibel hergestellt werden, und viele andere religiöse Diskurse unterscheiden sich in der Tat nicht von einer tiefen Textanalyse und der Ableitung von Interpretationen. Die Hermeneutik geht eindeutig einen Schritt weiter und ist daher eine der frühesten und bis heute wichtigsten wissenschaftlichen Methoden. Gedankenexperimente waren eine weitere Denkrichtung, die sich schneller herauszubilden begann. Indem sie sich auf "Was-wäre-wenn"-Fragen konzentrierten, betrachteten die Wissenschaftler*innen alle möglichen Fragen, um sogar Muster in Naturgesetzen abzuleiten (Galileo) und richteten ihren Blick auch in die Zukunft. Gedankenexperimente waren seit der Antike auf informelle Weise bekannt, doch im Mittelalter wurden diese Annahmen zum Auslöser, vieles von dem, was angeblich bekannt war, in Frage zu stellen. Durch Experimente wurden sie zu frühen Ansatzpunkten für spätere systematischere Experimente.

Francis Bacon. Quelle: Wikipedia

Es war Francis Bacon, der sich letztlich aus dieser Dominanz des Denkens herausbewegte und die Bedeutung der empirischen Untersuchung einforderte. Indem wir die Natur und ihre Phänomene beobachten, sind wir in der Lage, Schlussfolgerungen aus dem Besonderen abzuleiten. Bacon wird daher oft als der Vater der "wissenschaftlichen Methode" bezeichnet, ein völlig irreführender Begriff, da es viele wissenschaftliche Methoden gibt. Der Empirismus, d.h. die empirische Untersuchung von Phänomenen und die Ableitung von Ergebnissen oder gar Regeln, löste jedoch eine wissenschaftliche Revolution, aber auch eine Spezialisierung verschiedener Wissenschaftszweige aus. Während Leonardo da Vinci (1452-1519) noch vor weniger als einem Jahrhundert ein Universalgelehrter gewesen war, löste Bacon (1561-1626) eine Zunahme der empirischen Untersuchung aus, die zu einer tieferen Herausbildung wissenschaftlicher Disziplinen führte. Viele andere trugen zu dieser Entwicklung bei: Locke behauptete, dass menschliches Wissen auf Erfahrung aufbaut, und Hume trieb dies in die Skepsis und zog alles in Zweifel, was in Glauben oder Dogmen wurzelt. Indem die Wissenschaft langjähriges Wissen in Frage stellte, trat sie - unter anderem - die Tür zu Gott selbst ein, ein Umstand, der zu groß ist, um hier in irgendeiner Weise dargestellt zu werden. Wichtig ist jedoch, dass - ausgehend von der vorangegangenen Epoche der unterschiedlichen Zugänge zum Wissen - durch die Kombination von Empirie auf der einen Seite und den damit verbundenen philosophischen Entwicklungen auf der anderen Seite - das Zeitalter der Vernunft angebrochen war.

Eine Zeitlinie wichtiger wissenschaftlicher Durchbrüche. Quelle: eigene Darstellung

Aufklärung - Wege zu wissenschaftlichen Disziplinen

Das Zeitalter der Vernunft hat - neben vielen anderen Veränderungen - die Entwicklung der wissenschaftlichen Disziplinen viel weiter vorangetrieben als je zuvor. Wissenschaftliche Forschung wurde durch einen zunehmenden Zustrom von Ressourcen aus den Kolonien ermöglicht, und Biologie, Medizin, Mathematik, Astronomie, Physik und vieles mehr gediehen. Frühe Untersuchungen in diesen Disziplinen gab es oft schon seit Jahrhunderten, wenn nicht Jahrtausenden, aber jetzt wurde das Wissen in einem exponentiellen Tempo erforscht. Vieles davon war anfangs beschreibend, auch das, was man heute als Naturgeschichte bezeichnen würde. Doch die frühen Untersuchungen zur systematischen Bestimmung und Differenzierung von Organismen (Linné) legten den Grundstein für viele andere Konzepte. Wieder waren es die Kolonien, die einen Überschuss auslösten, diesmal an Grundlagenmaterial, um mehr Erkenntnisse zu gewinnen. Schließlich wäre die Darwin'sche Theorie ohne Exemplare von seinen Reisen nicht möglich gewesen. Während einige auf diese Weise in die Natur blickten, untersuchten andere Wissenschaftszweige die Gesellschaft, und in der Medizin wurden die ersten wirklich systematischen Fallstudien entworfen. Daher gingen wir von Experimenten als Beobachtungsmittel zu experimentelle Untersuchung über und ebneten damit den Weg für Hypothesentests im 20. Jahrhundert. Dies erforderte die Prüfung der Beobachtungsergebnisse, ein Phänomen, das die Wissenschaftler*innen in der Astronomie gleichermaßen herausforderte. Dort erkannte man, genau wie bei den Experimenten, dass es, obwohl sie versuchten, sorgfältig zu sein und die neuesten verfügbaren optischen Hilfsmittel zu verwenden, immer noch einen Fehler geben konnte, der abgeschätzt werden musste. Dies stellte eine echte Anwendungsmöglichkeit für die Statistik dar und führte zum Aufstieg Methoden.

Korrelationen können täuschen. Quelle: Spurious correlations

Wahrscheinlichkeit war das zugrunde liegende Kernprinzip, oder mit anderen Worten, die statistische Antwort auf die Frage, ob etwas wirklich zufällig war oder ob es einen statistischen Zusammenhang gab. Unter den wachsenden Volkswirtschaften tauchten immer mehr Zahlen auf, und aufbauend auf der niederländischen Lösung der doppelten Buchführung stellte sich die Frage, ob in den Daten Muster zu finden waren. Konnte das Ernteergebnis der Baumwolle ihren Marktwert später im Jahr vorhersagen? Und würden Ernteausfälle eindeutig mit Hungersnöten in Zusammenhang stehen, oder könnte dies kompensiert werden? Statistische Korrelationen waren in der Lage, sich auf Variablen zu beziehen und herauszufinden, ob die eine mit der anderen in Beziehung steht oder ob die beiden nicht miteinander verbunden sind. Dies löste einen heftigen Wechsel des Utilitarismus von der Philosophie in die Wirtschaft aus, die bis heute zu den Kerndisziplinen gehört. Über die Berechnung von Utilitarismus lässt sich viel sagen, aber das geht hier über das Thema hinaus. In der Wissenschaft wuchsen überall gelehrte Akademien, und die Universitäten blühten auf, auch wegen des wirtschaftlichen Paradigmas einer wachstums- und konsumorientierten Grundlinie, die sich herausbildete. Es entsteht immer mehr Wissen, um dieses Paradigma zu kritisieren und in Frage zu stellen. Dies löste das oft als Zeitalter der Reflexion bezeichnete Zeitalter aus, in dem die Empirie im Grunde ungezähmt wurde und die Tiefe der Untersuchung zu Disziplinen führte, die sich in noch tieferen Teildisziplinen zu verankern begannen. Die Auswirkungen auf die Gesellschaften waren schwerwiegend. Mechanisierung, neue Ansätze in der Landwirtschaft, der Aufstieg der modernen Medizin, eine immer raffiniertere Biologie und die Entwicklungen in der Chemie zeugen davon, dass die physische Welt immer mehr in den Fokus der Wissenschaft geriet. Die allgemeinen Linien des philosophischen Denkens - Vernunft, Gesellschaftsvertrag und Utilitarismus - lösten sich teilweise von der Philosophie ab und entwickelten sich auf Gedeih und Verderb zu eigenständigen Disziplinen wie Psychologie, Sozialwissenschaft, Politikwissenschaft, Kulturwissenschaften und Wirtschaftswissenschaften. Wir beobachten also eine Abweichung der empirischen Wissenschaften von der zuvor allumfassenden Philosophie. Der Empirismus war also auf dem Vormarsch, und mit ihm eine ausgeprägte Verschiebung in Wissenschaft und Gesellschaft.

Nach den Kriegen - Der Aufstieg von Agency

Aus gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, technologischen und anderen Entwicklungen entstand fast konsequenterweise ein Kontrapunkt. Dieser wurzelte bereits in Kant und seiner Annahme der Priorität der Vernunft, und Marx machte einen entscheidenden Schritt hin zu einer kritischen Perspektive. Er entwickelte die Philosophie von einer Untersuchung der Weltbilder hin zu einer Agenda zur Schaffung von Veränderungen, die sich hauptsächlich auf das Wirtschaftssystem konzentrierte. All dies kaskadierte in die gewaltigen Veränderungen des 20. Jahrhunderts, die fast zu viel sind, um sie zu begreifen. Es könnte jedoch der Schluss gezogen werden, dass die Katastrophe der beiden Weltkriege, die Anerkennung der Ungleichheiten des Kolonialsystems und die Konzentration auf die Ungerechtigkeiten mit Emanzipation, Diskriminierung und Rassismus verbunden ist. Die Kritische Theorie kann als eine richtungsweisende Entwicklung angesehen werden, bei der die Strukturen und Bedingungen von Gesellschaften und Kulturen in den Mittelpunkt gerückt werden.

Dies löste zwei allgemeine Entwicklungen aus. Erstens gab es eine allgemeine und notwendige Zunahme der Hinterfragung von Gesellschaft und Wissenschaft im Sinne von kritischer Theorie, die zumindest bis zur Lösung dieser Probleme eine zentrale Rolle spielen muss. Zweitens löste die kritische Perspektive eine Anerkennung der Notwendigkeit aus, die Schaffung von Wissen zu differenzieren, was letztlich zu schwerwiegenden methodischen Entwicklungen führte, die Menschen tiefer in den methodischen Fokus zu rücken (Interviews, Delphi, Ethnographie). Die steigende Zahl der Ansätze in der Statistik führte zu immer mehr Disziplinen (Sozialwissenschaft, Ökologie, Psychologie) und Teildisziplinen. Ein prominentes Beispiel ist die Psychologie, die die ANOVA als Hauptanalysewerkzeug für das psychologische Experiment verwendete. In den 1960er Jahren erwiesen sich Interviews als eines der Hauptinstrumente für tiefe soziale Untersuchungen. Die Szenarioplanung ermöglichte die systematische Schaffung verschiedener Zukünfte. Die "Grounded Theory" ermöglichte eine induktivere Sicht auf die Welt. Das Systemdenken und die Netzwerk- und Systemtheorie entstanden, um die Interaktion und Komplexität der Welt zu berücksichtigen. Und Satelliten und die Anerkennung von 'Raumschiff Erde' erschlossen eine neue globale Perspektive auf unseren Planeten. Die Meta-Analyse ermöglichte eine 'supra'-Perspektive, um die Vielfalt der unterschiedlichen Ergebnisse zu integrieren, und Kuhn verkündete sogar eine Perspektive, wie Wissenschaft als Ganzes entsteht. Feyerabend lehnte das Dogma der Wissenschaft ganz und gar ab, was ein entscheidender Schritt hin zu einer kritischen Methodenperspektive war. Dabei verzweigten sich die Disziplinen immer weiter in immer kleinere Disziplinen, Bereiche, Teildisziplinen usw.

Internet und Computer - Die neue Wissenschaft der Vernetzung

Unterschiedliche Formen disziplinärer Zusammenarbeit. Quelle: Jo Bailey makinggood.design

Aus der allgemeinen Erkenntnis heraus, dass aufgrund der Mängel des gegenwärtigen Systems neue Paradigmen entwickelt oder identifiziert werden müssen, und ebenso aus der Erkenntnis der Bedeutung neuer Wissensformen entstand ein neuer Wissenschaftsmodus, der eine kritische Reflexion und eine Integration von Wissenschaft und Gesellschaft erfordert. Mit zunehmender Anerkennung der Komplexität der Probleme, mit denen die Menschheit konfrontiert ist, wurde klar, dass eine einzige Disziplin nicht in der Lage sein würde, die notwendigen Lösungen anzunähern. Stattdessen würden die Disziplinen zusammenarbeiten müssen, was keine Kleinigkeit ist. Gegensätzliche Denkrichtungen, unterschiedliche Schwerpunkte, eine unvereinbare Sprache und schließlich ein Wettbewerb um begrenzte Ressourcen und Aufmerksamkeit sowie Denkschulen, die in ihrer Bedeutung Überlegenheit beanspruchen - all dies sind keine Bausteine wissenschaftlicher Zusammenarbeit. Doch all diese Probleme sind vernachlässigbar im Vergleich zu der Herausforderung, eine gemeinsame Wissensproduktion zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zu schaffen. Die Wissenschaft hielt eine teilweise arrogante Distanz zur Gesellschaft, oder zumindest ein Großteil der Wissenschaft vermied eine direkte Interaktion. Interviews, Beobachtungen, vielleicht noch Interaktion, waren bereits bekannte Ansätze. Die gemeinsame Problemdefinition und das gegenseitige Lernen von Wissenschaft und Gesellschaft stellten einen radikal neuen Forschungsmodus dar, und wir stehen erst am Anfang eines Paradigmenwechsels, der die Wissenschaft seit Jahrhunderten geprägt hat. So entstand die trandisziplinäre Forschung als ein neuer Forschungsmodus und ein inklusiver, reflexiver und lösungsorientierter Weg, der die Gräben in der Wissenschaft, aber auch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft überwindet.

Diese radikale Entwicklung fällt mit einer weiteren Revolution zusammen, die die Wissenschaft erschüttert hat, nämlich dem digitalen Zeitalter. Computer ermöglichten schnellere Berechnungen und neuartige methodische Ansätze. Das Internet trieb neue Wissensquellen und -formen an, und die damit verbundenen neuen Kommunikationsformen lösten einen Austausch zwischen Forscher*innen in einem beispiellosen Tempo aus. Alle Mittel der elektronischen Kommunikation, Online-Zeitschriften (Journals) und die Tatsache, dass viele Forscher*innen heute über einen eigenen Computer verfügen, führten zu einer exponentiellen Zunahme der wissenschaftlichen Zusammenarbeit. Während dies manchmal auch Opportunismus und eine Verschiebung hin zu Quantität statt Qualität in der Forschung mit sich bringt, ist es unbestreitbar, dass heute viele wissenschaftliche Informationen nicht weiter von uns entfernt sind als ein Mausklick. Technologie kann kein Selbstzweck sein, aber als Mittel zum Zweck ermöglicht sie heute ein exponentielles Forschungstempo, das sich am deutlichsten in der Corona-Krise manifestiert hat. Die globale Gemeinschaft der Forscher*innen ist in ihrer größten Stärke vereint, und die Geschwindigkeit und Vielfalt der Wissensschöpfung ist in der Geschichte unserer Zivilisation beispiellos. Nie zuvor gab es mehr Interaktion zwischen den neuesten wissenschaftlichen Untersuchungen oder Ergebnissen und der Gesellschaft.

Weitere Infos

  • Mehr Infos über Kuhns Theorie der Paradigmenwechsel.